Europawahl am 9. Juni 2024

Machen am 9. Juni bei der Europawahl erstmals ihr Kreuzchen: Vincent Ganczorz, David Rolle und Elli Papadopoulou (von links). © Scherer, op-online.de

Bei der Europawahl dürfen in Deutschland erstmals auch Menschen ab 16 Jahren wählen. Drei Schüler aus Kelsterbach wollen ihre Stimme abgeben - hier erklären sie, warum.

Sie haben sich gut vorbereitet, im Schulunterricht über die Wahl gesprochen oder mit den Eltern daheim über Politik diskutiert und sich die Parteiprogramme näher angeschaut. Am 9. Juni ist es so weit: Vincent Ganczorz, Elli Papadopoulou und David Rolle werden erstmals ihr Kreuzchen auf einen Wahlzettel setzen. Sie gehören zu jenen Jugendlichen, die in Deutschland zum ersten Mal mit 16 Jahren wählen und so die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments in Brüssel mitbestimmen dürfen. Und dieses Recht wollen sie auch wahrnehmen, bekräftigen die Schüler der Klasse 10.2 der IGS Kelsterbach.

„Ich werde auf jeden Fall ins Wahllokal gehen“, betont Elli Papadopoulou. Auch ihre Klassenkameraden Vincent Ganczorz und David Rolle wollen ihre Stimme an der Wahlurne abgeben, auch die Eltern gehen mit ins Wahllokal, wie sie erzählen. Eilli Papadopoulou berichtet, dass ihre Eltern auch wählen – allerdings in Griechenland, wo sie ihre Wurzeln haben.

Dass sie mit 16 Jahren über die Zusammensetzung des EU-Parlaments mitbestimmen dürfen, finden die Schüler gut. „Aber man hat auch eine Verantwortung“, betont David Rolle. Alle drei glauben, dass sie mit ihrer Stimme etwas bewegen können und wollen das nutzen.

Juniorwahl als Generalprobe für die erste Stimmabgabe
Dass manche Parteien die Herabsetzung des Wahlalters ablehnen und 16-Jährigen allgemein die geistige Reife für diese Entscheidung absprechen, finden die drei nicht in Ordnung. Auch Jüngere sollten die Politik mitbestimmen dürfen, denn es gehe immerhin auch um ihre Zukunft. „Wir sind ja diejenigen, die noch länger da sind“, bringt es Vincent Ganczorz auf den Punkt. „Sind Menschen mit 18 Jahren wirklich so viel weiter?“, fragt Elli Papadopoulou und betont: Wer sich richtig informieren will, der mache das schon mit 16 Jahren.

Auf EU-Wahlen fühlen sich die IGS-Schüler gut vorbereitet und wissen auch, was alles zu beachten ist. Eine Art Generalprobe absolvieren die Jahrgänge 9 und 10 regelmäßig im Vorfeld zu Wahlen: die Juniorwahl. Zuletzt im Oktober 2023 vor den Landtagswahlen. Da bekomme man dann auch eine Wahlbenachrichtigung, müsse diese und den Ausweis mitbringen, erzählt Ganczorz. „Also wissen wir schon, wie die Wahl abläuft“, betont Rolle.

Politikverdrossenheit? Bei ihnen und ihrem Umfeld nicht. „Ich kenne keinen, der sagt, dass er definitiv nicht wählen geht“, berichtet David Rolle. Eher seien einige noch unentschlossen, wem sie ihre Stimme geben wollen. Ermutigt werden die Jugendlichen auch von ihren Eltern, ihre Stimme abzugeben. „Mit meinem Vater rede ich auch über Politik, da haben wir auch mal zwei verschiedene Ansichten“, sagt Rolle. Auch bei Vincent und Elli ermutigen die Eltern sie zur eigenen Meinungsfindung, bevor sie ihr Kreuzchen machen.

Schüler sehen in der Europäischen Union viele Vorteile
Die drei jungen Erstwähler sind von der EU überzeugt, sehen viele Vorteile in dem Zusammenschluss von 27 Mitgliedstaaten. Viele Staaten – immerhin 20 von 27 – hätten den Euro als gemeinsame Währung, man könne mit dem gleichen Tarif wie zu Hause telefonieren. „Das ist schon toll, wenn man im Urlaub ist und die Familie zu Hause anrufen kann“, findet Vincent Ganczorz, der Verwandtschaft in Polen hat. Auch die Reisefreiheit sehen die Schüler als großen Vorteil der EU. David Rolle, dessen Familie mütterlicherseits vom Balkan stammt, berichtet von vielen Grenzkontrollen, wenn die Familie früher Verwandte besucht habe. „Vieles ist heute einfacher geworden.“

Für Elli Papadopoulou spielt auch das Thema Ausbildung eine Rolle. „Wenn ich mit der Schule fertig bin, kann ich mich zum Beispiel frei entscheiden, wo ich studieren möchte.“ Sie persönlich findet, dass durch die EU in ihrer Heimat Griechenland vieles in den vergangenen Jahren besser geworden sei. Alle drei betonen auch den Zusammenhalt der Länder und wünschen sich, dass die EU stärker gemeinsam auftreten sollte. Weniger Streit, mehr Konsens, so die Jugendlichen. Eine gute Vorbereitung auf die Wahl sei der Gesellschaftslehre-Unterricht an der IGS. Dort lerne man viel über Wahlen und werde objektiv gut vorbereitet, betonen David Rolle und Vincent Ganczorz.

Auch für Eilli Papadopoulou ist der Unterricht eine gute Vorbereitung. Man schaue sich die Wahlprogramme an oder im Internet auf der Seite der EU. Auch die Nachrichten seien eine Quelle für Informationen, ergänzt Rolle. Eine gute Möglichkeit, im Dschungel der Parteiprogramme den Überblick zu behalten, sei der Wahl-O-Mat, findet Vincent Ganczorz – dem stimmen seine Klassenkameraden zu. Man bekomme sofort eine Rückmeldung, welcher Partei man am nächsten sei, so Rolle. „Und danach kann man sich auch noch mal das Wahlprogramm genauer ansehen“, sagt Ganczorz. Das habe ihm schon geholfen, für sich eine Richtung zu finden.

Umwelt- und Naturschutz sind für die Jugend ein wichtiges Thema
Wahlplakate dagegen finden die Schüler nicht so aussagekräftig. Oft stünde da nur ein Wort oder etwas werbesloganmäßiges, findet David Rolle. Und soziale Medien, etwa TikTok? Kommt für die Jungwähler nicht infrage. Kämen Politik- oder Parteithemen in den sozialen Medien vor, würde er sich diese gar nicht anschauen, „davon sollte man sich nicht beeinflussen lassen“, sagt Vincent Ganczorz.

Eilli Papadopoulou findet die Videos oberflächlich, und auf die knappen Aussagen dort wolle sie sich nicht verlassen. Dem stimmt David Rolle zu. „Da ist fast nur noch Hetze und kein Konsens mehr“, bedauert der 16-Jährige. Dabei mache das doch Politik für ihn aus: dass man am Ende einen Kompromiss findet. Persönliche Kontakte mit Politikern hatten die Jugendlichen auch schon: etwa bei einem Besuch im Landtag oder aber im April 2023, als zur Dialogveranstaltung „DialogP“ fünf hessische Landespolitiker mit den Schülern sprachen (wir haben berichtet).

Politische Kandidaten nehmen sie unterschiedlich wahr, vor allem bei jüngeren Kandidaten haben sie eher das Gefühl, dass ihre Interessen vertreten werden. Sorgen bereiten den Schülern die Kriege und Konflikte, hier sei ein stärkerer Zusammenhalt der Länder wichtig. Auch der Naturschutz liegt ihnen am Herzen, hier müsse die EU mehr machen. Der Klimawandel sei ein wichtiges Thema, das derzeit aber vom Krieg in der Ukraine oder dem Gaza-Konflikt überschattet werde, bedauert Rolle.

Quelle (Text und Bild): op-online.de
https://www.op-online.de/region/kreis-gross-gerau/warum-drei-kelsterbacher-schueler-bei-der-europawahl-erstmals-ihre-stimme-abgeben-wollen-93095995.html

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